MKG – Mehr als nur Weisheitszähne

Entwicklung: Ein Fach mit Tradition
„Uns ist es ein besonderes Anliegen, dieses Fach für die allgemeine Bevölkerung bekannter zu machen“, sagen DDr. Klaus Wild, Fachgruppenobmann der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Ärztekammer für OÖ und Primar DDr. Michael Malek, Vorstand der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie im Kepler Universitätsklinikum Linz unisono. Immerhin gibt es die Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie seit mehr als hundert Jahren – ein Fach mit Tradition also, das sich aus der Allgemeinchirurgie entwickelt hat und ein eigenes Sonderfach wurde, bevor sich die Zahnärzte abgespaltet haben.
Die MKG-Chirurgie ist als jüngstes Fachgebiet der Wiener Medizinischen Schule des 20. Jahrhunderts aus einer Abteilung der ersten Chirurgischen Universitätsklinik unter Anton Eiselsberg hervorgegangen. Die Gründung war nicht nur ein Meilenstein für die Wiener Klinik, sondern gab es damit weltweit erstmals eine Abteilung für dieses Spezialgebiet.
In Oberösterreich versorgen die Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Kepler Universitätsklinikums und der Fachschwerpunkt für MKG-Chirurgie des Klinikums Wels-Grieskirchen gemeinsam den oberösterreichischen Zentralraum mit ihrer fachspezifischen Kompetenz. Verstärkt werden diese beiden Krankenhäuser durch die niedergelassenen Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen in Oberösterreich: Insgesamt gibt es 39 Fachärzte.
Tätigkeitsbereiche: Das Gesicht als Spiegel der Seele
Die landläufige Bezeichnung „Kieferchirurg“ erweckt den Eindruck, die MKG-Chirurgie beschäftige sich ausschließlich mit dem Kiefer beziehungsweise der Entfernung von Weisheitszähnen. Dass dem nicht so ist, zeigt das umfangreiche Themengebiet dieses jungen Zweigs der Heilkunde. Die Chirurgen kümmern sich um …
- Verletzungen und Brüche am Gesichtsschädel,
- die Traumatologie,
- die Korrektur von Fehlstellungen im Gesicht und am Kauorgan,
- die Behandlung von Missbildungen wie Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten,
- die Tumorchirurgie und Rekonstruktion,
- die chirurgische Wiederherstellung des Gesichtes, einschließlich des Kauorgans,
- und nehmen zahnärztliche Operationen wie Zysten, Knochenaufbauten und Kieferfehlstellungen vor.
„Kommt ein Baby mit einer Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalte zur Welt, so sind viele Behandlungsschritte notwendig, damit im Erwachsenenalter ein zufriedenstellendes Ergebnis erzielt werden kann. Dies setzt eine erfahrene Chirurgin, einen erfahrenen Chirurgen voraus, der den Patienten über viele Jahre begleitet und zum richtigen Zeitpunkt die richtige Therapie anwendet. Ähnliches Spezialwissen benötigt man auch für die Versorgung eines komplexen Gesichtsschädelbruches, um die Funktionen des Gesichtes wiederherzustellen“, sagt DDr. Wild.
Er betont auch, dass beispielsweise Tumoroperationen im Gesichtsbereich zu den aufwändigsten und langwierigsten Operationen in der Chirurgie gehörten, da nicht nur die Tumorentfernung, sondern auch die Rekonstruktion mit Gewebstransplantaten aus entfernten Regionen viel Erfahrung voraussetze.
Neben dem zwischenmenschlichen Aspekt des Gesichtes, nämlich Mimik und Sprache, kümmern sich die Chirurgen auch um die für das Leben unentbehrlichen vegetativen Funktionen wie Geschmack, Geruch und Nahrungsaufnahme.
„Das Gesicht ist das Kennzeichen jeder Persönlichkeit, ein Spiegel der Seele. Deshalb müssen wir mit vielen anderen Fachdisziplinen zusammenarbeiten, um diese Persönlichkeit zu bewahren oder wiederherzustellen“, sagt DDr. Klaus Wild. Die MKG-Chirurgie befindet sich deshalb im engen Kontakt mit vielen benachbarten Fachdisziplinen wie der Plastischen Chirurgie, der HNO-Heilkunde, der Kinderheilkunde, der Unfallchirurgie, der Neurochirurgie, der Augenheilkunde und der Zahnheilkunde, um die wichtigsten Nachbarfächer zu nennen. Sie steht somit im Zentrum eines komplexen Umfelds. „Diese zentrale Rolle erfordert eine gute Zusammenarbeit und ein Verständnis für alle beteiligten Fachärzte“, sagt DDr. Wild.
Digitalisierung: Mit der neuesten Technik zum richtigen Biss
Kieferfehlstellungen können angeboren oder auch die Folge von Unfällen sein. Allen gemeinsam ist, dass sie oft mit Funktionsstörungen beim Essen, manchmal sogar mit einer ästhetischen Beeinträchtigung einhergehen, die je nach Ausprägung bis zum sozialen Rückzug der Betroffenen führen kann.
An der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Kepler Universitätsklinikums Linz sorgen Primarius DDr. Michael Malek und sein Team mit Hightech für den korrekten Biss. „Um ein optimales, funktionelles und kosmetisches Ergebnis zu erzielen, werden Kieferoperationen im neuen Scannerzentrum der Abteilung geplant“, sagt DDr. Malek. Die Erfassung der Gesichtsoberfläche übernimmt ein Scanner, die Gesichtsknochen werden durch eine Computertomographie dargestellt. „Es werden Gipsmodelle durch die Abdrücke vom Gebiss oder über einen Oralscanner erstellt. Diese Gipsmodelle werden dann eingescannt und die drei Datensätze werden im Computer über ein ausgeklügeltes System überlagert. Nun steht der virtuellen Planung für die kieferchirurgische Operation nichts mehr im Weg“, erklärt der Chirurg die Operationsvorbereitungen.
Mit dieser neuen Technologie wird sehr realitätsnahe und kostengünstig gearbeitet. Weiters ist es möglich, das virtuelle Schädelmodell auszudrucken. „Das passiert mit einem 3D-Drucker, der, ähnlich einem Tintenstrahldrucker, mit Gips und Superkleber arbeitet, oder neuerdings auch mit einem Kunststoffdrucker.“ Vor einigen Jahren war ein solches 3D-Schädelmodell noch mit extrem hohen Kosten verbunden und damit kaum jemandem zugänglich, nun kann es sehr kostengünstig und im Routineeinsatz angeboten werden. „Der Eingriff selbst wird dann in 3D-Navigation durchgeführt, um die Planung bestmöglich umsetzen zu können“, erklärt der Primar. Zum Durchtrennen der Kieferknochen kommt eine Ultraschallsäge zum Einsatz. Die Weichteile und die dünne, empfindliche Schleimhaut sowie Blutgefäße und Nerven im Operationsgebiet werden dadurch maximal geschont.
DDr. Malek nennt die Vorteile für die Patienten: „Durch diese Techniken kann dem Patienten die bestmögliche Lösung für das Problem bei geringstem Risiko geboten werden: eine geringere postoperative Schwellung, schnellere Wundheilung und ein minimiertes Risiko von Wundinfektionen. Das Scannerzentrum ist auch für die Planung zur Behebung von Schädeldeformitäten bei Kindern eingerichtet. Die Möglichkeiten, die das Scannerzentrum der Klinik für Mund-, Kiefer und Gesichtschirurgie des Kepler Universitätsklinikums bietet, sind oberösterreichweit übrigens einzigartig.“