Burnout bei Kindern und Jugendlichen – Prävention, aber wie?

Seit einigen Jahren erscheinen in regelmäßigen Abständen Beiträge zum Thema „Burnout bei Kindern und Jugendlichen." Was sollen vor allem Eltern anhand dieser Berichte denken – laufen viele Kinder und Jugendliche Gefahr überlastet zu werden oder handelt es sich um eine Art „Modeerscheinung“, welcher nicht allzu viel Beachtung geschenkt werden muss?

Martin Pachinger, Psychologe und Leiter des Kinderhilfswerks meint dazu: “Der Begriff Burnout wird gegenwärtig inflationär verwendet. Richtig ist, dass sich die Situation der Kinder und Jugendlichen in den vergangenen 15-20 Jahren stark verändert hat. Konkret hat sich die Arbeitswelt – auch für die Eltern – gewandelt. Die Arbeitsplatzsicherheit ist deutlich zurückgegangen, was vielen Menschen Sorgen bereitet. Gleichzeitig sind die Erwartungen sowie der Erfolgsdruck auf die Kinder und Jugendlichen gestiegen, um sich an diese veränderten Arbeitsmarktbedingungen anpassen zu können. Parallel dazu haben die neuen Medien wie Handy und Internet und die damit verbundenen neuen Kommunikationsformen wie Facebook die Geschwindigkeit des täglichen Lebens enorm erhöht. Diese neuen Kommunikationsformen bringen mit sich, dass man immer und überall erreicht werden kann – und was den Stress erhöht – erreicht werden soll. Nach dem Motto: man könnte ja etwas versäumen. Dies vor dem Hintergrund, dass Kinder heute immer weniger Erziehung erfahren im Sinne von Beziehung und Struktur – sprich, dass Eltern Grenzen setzen.“

Was leitet sich nun aus diesem Befund ab, dass sich die veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verändert haben bzw. dass neue Technologien das tägliche Leben stark beeinflussen? Pachinger meint hierzu: „Die Idee der Prävention ist es grundsätzlich rechtzeitig etwas zu tun, um nicht krank zu werden. Dies fängt beim Thema Überlastung schon bei den ganz Kleinen an. Je früher Kinder erfahren, dass es Grenzen gibt, umso leichter werden diese lernen Grenzen zu akzeptieren bzw. auch sich selbst Grenzen zu setzen. Überlastung hat immer etwas mit Grenzen zu tun – dass ich meine individuelle Grenze der Belastbarkeit erkenne – oder eben überschreite. Hierfür brauchen wir jedoch Mütter und Väter, welche ihren Kindern gegenüber nicht partnerschaftlich auftreten, sondern welche sich ihrer Rolle als Eltern bewusst sind. Dieses Rollenbewusstsein meint konkret, dass Mütter und Väter mit ihren Kindern in Beziehung treten, gemeinsam Zeit verbringen, Eltern sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sind und auch alters- bzw. entwicklungsabhängig Grenzen vorgeben und einfordern.“

Immer wieder ist schon von Kindern zu lesen, welche einen vollen Terminkalender haben. Vom Englischkurs bis hin zur Geigenstunde ist die Woche voll verplant. Vor dem Hintergrund der offensichtlich wachsenden Überlastung von Kindern und Jugendlichen – wie sinnvoll ist diese Form des „Freizeitstresses“? Pachinger führt an: “Eltern sind oft gut gemeint der Ansicht, dass sich die Chancen für Kinder im weiteren Leben erhöhen, wenn sie schon sehr früh ihre Kompetenzen und Fähigkeiten erhöhen. Leider wird hier oft übersehen, dass Kinder einen Freiraum benötigen, um Kind sein zu können. Kind sein zu können meint hier ohne Leistungs- und Erwartungsdruck spielen zu können, ihre Freizeit ungezwungen verbringen zu können. Dies fördert aus meiner Erfahrung Kinder in ihrer Entwicklung mehr, als ein vorgegebenes Korsett.“
Aktuelle Studien belegen, dass Kinder und Jugendliche tatsächlich immer öfter Symptome einer Überforderung zeigen. Worauf sollen Eltern achten, um schon rechtzeitig darauf reagieren zu können? Der Psychologe rät: “Symptome wie Lustlosigkeit, Traurigkeit, Appetitlosigkeit, Schlafstörungen sowie Beschwerden wie Kopf- oder Bauchweh müssen ernst genommen werden. Leiden Kinder und Jugendliche länger wie zwei Wochen an diesen Symptomen, sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden. Durch eine unterstützende Psychotherapie können junge Menschen lernen, wie sie mit Belastungen umgehen können. Die Einbindung der Eltern in diesen therapeutischen Prozess ist von großer Bedeutung.“

Mag. Dr. Martin Pachinger ist Klinischer- und Gesundheitspsychologe, Sportpsychologe, Leiter der Beratungsstelle des Kinderhilfswerks in Linz.

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